Die Bundestagsabgeordnete Marianne Schieder (SPD) hat das neue Bundesteilhabegesetz zum Anlass genommen, am Samstag den Behindertenwerkstätten in Cham einen Besuch abzustatten. Und sie brachte gleich ein paar Genossen mit: MdB Kerstin Tack aus Hannover, Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Belange von Menschen mit Behinderungen, den SPD-Kreisvorsitzenden Franz Kopp, und den Landtagsdirektkandidaten Peter Wein.Auf ihrem Rundgang begleiteten die Politiker Vera Müller, Behindertenbeauftragte des Landkreises Cham, Leo Hackenspiel, Altbürgermeister und Vorsitzender des Vereins Lebenshilfe, sowie Max Heigl, Kreisvorsitzender des VdK. Katharina Keber, Geschäftsführerin der Behindertenwerkstätten Oberpfalz, führte die Gäste durch die Einrichtung.
Zwei Gesellschaften tragen die gemeinnützige GmbH: der Verein Lebenshilfe für geistig Behinderte und der Sozialverband VdK Bayern.Das Gesetz und sein FolgenSchieder ist nicht zum ersten Mal zu Gast in den Werkstätten. Ihr sei es stets ein Anliegen, die Belange der Menschen vor Ort mit nach Berlin zu nehmen. Mit Tack hatte sie einen Gast mitgebracht, der maßgeblich an den Verhandlungen des Behindertenteilhabegesetzes beteiligt war.Zunächst ließen sich die Besucher die Einrichtung zeigen. Zu den 1972 gegründeten Werkstätten gehört neben der Chamer Hauptstelle auch ein Zweigwerk in Bad Kötzting und das Zentrum für individuelle Produktion. Bei Letzterem, dem „ZiP“, handelt es sich um eine Einrichtung für psychischkranke und/oder behinderte Menschen, die hilft, im Arbeitsleben wieder Fuß zu fassen. Vor dem Hintergrund stetig steigender Fallzahlen wird diese Einrichtung in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen. Neben den Arbeitsstätten gehören auch zwei Wohnheime zur Gesellschaft.Dass Keber ihren Job mit Leidenschaft macht, spürten alle gleich zu Beginn des Rundganges. Sie schilderte ihren Gästen die Stimmung, die zu den Öffnungszeiten auf dem Gelände herrscht. „Die Freude der Menschen mit Behinderung, die hier eine Aufgabe finden, sieht man in deren strahlenden Augen“, schwärmte sie. Bei der Besichtigung des Wohnheimes bestätigten die freundlichen Gesichter diese Schilderung. Dort finden die Menschen eine Heimat, wenn sie in ihrem ursprünglichen Zuhause nicht mehr bleiben können. Auch eine Seniorenwohngruppe mit zehn Personen gibt es seit 2003. „Es war vorher ein Problem, wenn die Bewohner mit der Rente aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind“, so Wohnheimleiter Reiser. Dann durften sie nicht mehr im Heim beleiben.Von wegen behindert ...Dass die Menschen trotz ihrer Behinderung in der Lage sind, eine Menge zu leisten, wurde bei der Werkstattbesichtigung deutlich. Da der Pflegesatz nicht ausreicht, muss sich die gemeinnützige Einrichtung dem Wettbewerb mit der freien Wirtschaft stellen. Die Produktpalette ist groß: Arbeitstische, Regalsysteme, Betriebs- und Fertigungsmittel nach Kundenwunsch, Möbel, Holzpaletten, Näharbeiten sowie Kunst aus dem hauseigenen Atelier sind nur ein Ausschnitt hiervon. Kunden sind unter anderem BMW, Krones, Sennebogen und Siemens. Dabei ist es auch für die Betreuer oftmals ein Spagat, auf die Arbeiter mit Handicap richtig einzugehen und gleichzeitig die nötige Leistung „herauszukitzeln“. Nur in einem guten Miteinander könne der Betrieb funktionieren und jeder Betreute dürfe nur nach seinen Fähigkeiten eingesetzt werden. Dabei gibt es Arbeitsplätze an modernen CNC-Maschinen genauso wie Handarbeit. Für Menschen mit schwersten Einschränkungen besteht eine Fördergruppe.Auf das neue Bundesteilhabegesetz angesprochen, gab Keber unumwunden zu, dass „vor Ort noch mehr Fragezeichen als Antworten im Raum stehen“. Tack erklärte, das Gesetz trete in drei Stufen in Kraft. Die erste Stufe sei zum 1. Januar 2017 wirksam geworden, die letzte und bedeutendste Stufe der Reform werde erst ab 1. Januar 2020 ihre Wirkungen entfalten. Der Grundgedanke sei: Menschen mit Behinderung sollten mehr selbst bestimmen können – und mehr am Arbeitsleben teilhaben. Neben Verbesserungen beim Einkommen und Vermögen soll es unabhängige Beratungsstellen geben, die Teilhaberechte im Sozialbereich und im Arbeitsleben sowie die Mitbestimmungsrechte zum Beispiel in Werkstatträten oder Schwerbehindertenvertretungen in Unternehmen werden gestärkt. Personen, die in einer Werkstatt arbeiten, haben bisher 26 Euro Arbeits-Förderung erhalten. Jetzt gibt es jeden Monat 52 Euro.Der Föderalismus ist schuldProblematisch sei, „dass die Bundeländer noch keine Ausführungsbestimmungen geschaffen haben“, gab Tack zu. Tack versprach, den Druck auf die Länder zu erhöhen. Leidtragende der verlangsamten Umsetzung seien derzeit weniger die Betroffenen als die Träger.