Die Sozialdemokraten der Oberpfalz und darüber hinaus blickten am Dienstagabend in die Grenzstadt, wo die SPD-Landtagsfraktion einen Empfang gab. Warum? Vor 100 Jahren wurde von dem unabhängigen Sozialdemokraten Kurt Eisner der Freistaat Bayern ausgerufen. Das war Anlass für die bayerische SPD-Landtagsfraktion, in allen Regierungsbezirken zu einem „Demokratie-Empfang“ einzuladen, um an die Entwicklung des Freistaates von der obrigkeitlichen Monarchie zum modernen und demokratischen Rechtsstaat zu erinnern und aufzuzeigen, dass gerade in Schicksalsstunden der bayerischen Geschichte die SPD Regierungsverantwortung trug und um Demokratie und Freiheit kämpfte. Furth war die Ehre als Austragungsort in der Oberpfalz zuteilgeworden.Zum Empfang konnte MdL Franz Schindler, Vorsitzender der Oberpfalz-SPD, neben zahlreichen Genossen auch interessierte Bürger im Saal des Kolpinghauses begrüßen.
Er sei vor 45 Jahren in die SPD eingetreten und habe sich zwar oft geärgert, aber diesen Schritt nie bereut, beteuerte Schindler. Geschichte geschrieben habe man mit der Aussöhnung mit dem Osten, welche die Basis für die spätere Wiedervereinigung des deutschen Volkes in Frieden und Freiheit gelegt habe. Niemand hätte sich damals vorstellen können, so Schindler, dass Jahrzehnte später wieder rechte Populisten und Demagogen ihr Gift verspritzen und nationalistischen Abgrenzungen das Wort reden. Dennoch sei es so gekommen.An der Seite der KleinenIn den 150 Jahren ihrer Geschichte habe natürlich auch die SPD Fehler gemacht, räumte Schindler ein. Doch 1918, 1933, 1945/46, immer wenn es darauf ankam, seien die Sozialdemokraten an der Seite der kleinen Leute gestanden. Das gehöre sozusagen zur DNA der SPD. Nicht die CSU habe den Freistaat Bayern erfunden, sondern die SPD. Deshalb freute er sich, dass er mit MdL Markus Rinderspacher, dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, den direkten Gegenspieler von Markus Söder in Furth im Wald begrüßen konnte. Als eine besondere Freude bezeichnete Schindler den Besuch des Schwandorfer Altlandrats Hans Schuierer, der seit 72 Jahren Mitglied der SPD ist und im erfolgreichen Kampf gegen die von Strauß geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdorf Geschichte geschrieben habe. Der Spielfilm „Wackersdorf“ über den Widerstand gegen die geplante WAA, der im Juni beim Filmfest München Premiere hatte und im September in die Kinos kommt, sei wirklich sehenswert.Die Festrede des SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Markus Rinderspacher stand unter dem Motto „Demokratie braucht Demokraten“. Vor 100 Jahren habe mit Kurt Eisner ein Sozialdemokrat den Freistaat Bayern ausgerufen und damit den Systemwechsel von der Monarchie mit Untertanen zur freiheitlichen Demokratie mit Bürgern mit politischer Gleichberechtigung eingeläutet. Vorausgegangen war der im vierten Jahr anhaltende Erste Weltkrieg mit Millionen Toten und der harte Winter, der sogenannte „Rübenwinter“. Auch das Stimmrecht der Frauen ist in Bayern und Deutschland eine Errungenschaft der unblutigen Revolution von 1918, betonte Rinderspacher.Die Sehnsucht nach Freiheit nannte er den Antrieb für viele Revolutionen. Freiheit, das bedeute, selbst zu bestimmen, wo und wie man sein Leben gestaltet. Frei von Ängsten um den Arbeitsplatz, um Wohnungsnot und vor Armut, vor der Angst, von der Arbeit nicht mehr leben zu können. Auch Befristungen und Kettenverträge würden den Betroffenen Angst bereiten. Im Hinblick auf die vielen Lehrer, deren befristeten Arbeitsverhältnisse mit dem Schuljahr enden, forderte Rinderspacher, die Befristungen in allen öffentlichen Arbeitsverhältnissen auf Null zu setzen.Viele junge Lehrer und Polizisten – heuer alle jungen Lehrer aus der Oberpfalz – würden nach München versetzt. Wenn Söder bei Behördenverlagerungen aus der Landeshauptstadt verspreche, dass keiner gegen seinen Willen aus München versetzt werde, müsse das auch für die jungen Beamten aus der Oberpfalz gelten. Die Mietsituation in den Ballungszentren erfordere es, in einer Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Land bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.Diffuse ÄngsteAuch die seit Jahren boomende Wirtschaft gebe keinen Anlass zu den diffusen Ängsten, die geschürt werden. Dazu zitierte Rinderspacher Brandt: „Wenn ich sagen soll, was mir neben dem Frieden wichtiger sei als alles andere, dann lautet meine Antwort ohne Wenn und Aber: Freiheit. Die Freiheit für viele, nicht nur für die wenigen. Freiheit des Gewissens und der Meinung. Auch Freiheit von Not und von Furcht.“ Derzeit gelte es, diese Freiheit wieder mehr denn je zu verteidigen, so der Festredner.Die Wurzeln der Demokratie in Bayern liegen bei der SPD. Darauf sei man stolz, und umso bedauerlicher sei die Entwicklung, wenn den neuen Bundesländern in Umfragen jeder Zweite die Ansicht vertrete, dass Demokratie nicht die beste Staatsform sei. Rinderspacher verwies auf die USA und Frankreich, wo an den Nationalfeiertagen am 4. Juli bzw. am 14. Juli der errungenen Freiheiten gedacht werde. Deshalb sei es bedauerlich, dass es in Bayern nur geringes republikanisches Bewusstsein gebe. Der Antrag der SPD anlässlich des 100. Jahrestages am 7. oder 8. November einmalig mit einem Nationalfeiertag diesen historischen Ereignissen zu gedenken, sei leider abgeblockt worden.Die Regierung Eisner währte nur 50 Tage, weil dieser am 21. Februar 1919 von dem Studenten Anton Graf von Arco auf Valley ermordet wurde. In dieser Zeit wurden jedoch grundlegende Reformen angestoßen, darunter der Achtstundentag, die Energiewende (Walchenseekraftwerk usw.) sowie Rechtsstaatlichkeit und föderale Struktur. Eisners Credo „Jedes Menschenleben soll heilig sein“ spiegle sich im Grundgesetz und in der Bayerischen Verfassung wider.Als Beispiel dafür, der Jugend zu erzählen, was Demokratie bedeutet und welchen Einsatz sie erfordert, nannte er Michael Poeschke. Dieser habe an der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz 1933 nicht teilnehmen können, weil er blutig geschlagen wurde. In Kenntnis dessen stimmten die SPD-Abgeordneten im Reichstag gegen das Ermächtigungsgesetz für Hitler – mit verheerenden Folgen.Rinderspacher ist überzeugt, dass aktuell die Freiheit in Europa wieder von Populisten und Demagogen bedroht werde. Markus Söder sehe das Ende des Multilaterismus und stelle sich in dieser Wortwahl in die Reihe der Trumps und Orbans und rede der Ausgrenzung das Wort, wetterte er.Nach lang anhaltendem Beifall für Rinderspacher stimmte die Kapelle „Jazzy Basement“, die den Empfang musikalisch begleitete, die Bayernhymne an.Nach Grußworten von MdL Annette Karl und dem Chamer Landtagsdirektkandidaten Franz Kopp dankte Schindler noch der Further SPD-Ortsvereinsvorsitzenden für die gelungene organisatorische Ausrichtung des Empfangs.